
Mit der DIN 35255 wird zum Ende des Jahres 2025 eine neue Norm veröffentlicht, die erstmals umfassende Qualitätsanforderungen an Prozesse und Produkte der Faserverbundtechnologie definiert. Sie gilt als Meilenstein für die Standardisierung im Composite-Bereich – und setzt neue Maßstäbe für Sicherheit, Reproduzierbarkeit und die Zertifizierung.
Die Grundlage der Norm ist das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), das für alle Produkte auf dem europäischen Markt gilt. Es schreibt vor, dass Produkte bei bestimmungsgemäßem oder vorhersehbarem Gebrauch keine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit darstellen dürfen. Für die Praxis bedeutet das: Der »Stand der Technik« muss konsequent umgesetzt werden – auch in der Entwicklung, Herstellung, Instandhaltung und Reparatur von Composite-Bauteilen.
Gerade hier setzt die DIN 35255 an: Denn im Unterschied zu anderen Materialien können Composite-Produkte nicht vollständig durch nachfolgende Überprüfung oder zerstörungsfreie Prüfung verifiziert werden, bevor das Produkt den Kunden erreicht oder in Gebrauch genommen wird. Die Norm überträgt daher das Prinzip der Fehlervermeidung durch Qualitätssicherung auf den gesamten Lebenszyklus von Faserverbundbauteilen – von der Produktentwicklung über die Fertigung bis zur Nutzung.
In Anlehnung an die ISO 9001 wird die Composite-Technologie als »Spezieller Prozess« eingestuft – vergleichbar mit der Schweiß- oder Klebtechnik. Die DIN 35255 formuliert darauf aufbauend konkrete Anforderungen und strukturiert sie in drei zentrale Kernelemente:
- die sicherheitsbezogene Klassifizierung von Bauteilen (C1–C4),
- den objektiven Nachweis der technologischen Kompetenz des Fachpersonals (Ebene 1–3),
- sowie die spezifische Nachweisführung der Produkt- und Prozesssicherheit.
Mit dieser Systematik bietet die DIN 35255 eine praxisnahe und technologieübergreifende Orientierungshilfe für Betriebe, die mit Faserverbundwerkstoffen arbeiten – unabhängig von Branche und Anwendung.
Die Norm schafft damit eine verlässliche Grundlage, um Composite-Produkte und -Prozesse im Sinne des geltenden Rechts und des Standes der Technik robust und reproduzierbar zu gestalten.
Quellenhinweis:
Teile der Inhalte dieses Beitrags basieren auf einem Fachinterview mit Stefan Simon, Leiter des Weiterbildungszentrums Faserverbundwerkstoffe am Fraunhofer IFAM, erschienen im Composites United Report #02/2025.