Faserverbundwerkstoffe sind vielfältig – so auch die Weiterbildungen in diesem Bereich

Die Kurse finden direkt am Fraunhofer IFAM statt und die Teilnehmer erhalten neben begleitenden Unterlagen auch abschließende Zertifikate.
© Fraunhofer IFAM
Die Kurse finden direkt am Fraunhofer IFAM statt und die Teilnehmer erhalten neben begleitenden Unterlagen auch abschließende Zertifikate.
In den FVK-Kursen des Fraunhofer IFAM lernen die Teilnehmer verschiedene Fertigungsverfahren sowie deren Anwendung und Verhalten kennen.
© Fraunhofer IFAM
In den FVK-Kursen des Fraunhofer IFAM lernen die Teilnehmer verschiedene Fertigungsverfahren sowie deren Anwendung und Verhalten kennen.

Das Fraunhofer IFAM gilt als Experte im Bereich Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung. Als Wissensvermittler bietet es im Bereich Weiterbildung schon seit 25 Jahren verschiedenste Kurse an. Begonnen wurde in der Klebtechnik und seit einigen Jahren werden auch Kurse im Bereich der Faserverbundtechnik angeboten. Stefan Simon ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe am Fraunhofer IFAM. Er erklärt uns im Interview, welche Angebote es in diesem Bereich gibt und warum Teilnehmer immer wieder einen Aha-Moment im Kurs erleben.

Bei den Weiterbildungen am Fraunhofer IFAM war von Anfang an das Prinzip »Ein Kurs – eine Weiterbildung« wichtig. Für jede Zielgruppe (Werker, Meister, Ingenieur) im Unternehmen oder Betrieb gibt es die passende Weiterbildung – so kann jeder Teilnehmer neues Wissen passend zum Arbeitskontext erwerben und sein bisheriges Portfolio ausbauen. Folgende Auflistung zeigt die aktuellen Kurse des Weiterbildungszentrums Faserverbundwerkstoffe:

  • FVK-Hersteller: befähigt Teilnehmer, in manuellen Verfahren qualitativ hochwertige FVK-Bauteile herzustellen
  • FVK-Instandsetzer: befähigt Teilnehmer, in der betrieblichen Fertigung grundlegende Auswirkungen von einzelnen Komponenten wie Faserart und Matrix des Verbundwerkstoffes auf die fertigen Bauteile abzuschätzen und Instandsetzungen fachgerecht umzusetzen
  • FVK-Fachkraft: befähigt Teilnehmer, Arbeitsanweisungen anzufertigen und in Instandsetzung und betrieblicher Fertigung in jeweiligen Zusammenhängen fachgerecht umzusetzen
  • Composite Engineer: befähigt Teilnehmer, den gesamten Produktlebenszyklus eines aus faserverstärkten Werkstoffen hergestellten Bauteils von der Produktentwicklung über die Fertigung bis zur Reparatur und zum Recycling zu gestalten und verantwortlich zu betreuen.  

Herr Simon, wie hängen die einzelnen Kurse zusammen? Ergänzen sie sich, bauen sie aufeinander auf oder überschneiden sie sich sogar?

Die Kurse sind so aufgebaut, dass sie immer tiefer in das theoretische Fachwissen einsteigen, je höher die Ebene der Teilnehmer ist. Bei den einwöchigen Kursen für die Werker-Ebene, dem FVK-Instandsetzer und FVK-Hersteller werden vor allem die Fähigkeiten vermittelt, Arbeitsanweisungen fachgerecht durchführen zu können sowie ein Gefühl für verschiedene Materialien zu bekommen. Hier gibt es einen relativ hohen Praxisanteil von 50-70% - wichtig ist nämlich der Umgang mit dem Material, der dann mit Theoriewissen vervollständigt wird. Bei der FVK-Fachkraft sollen die Teilnehmer verschiedene Fertigungsverfahren kennenlernen sowie deren Anwendung und Verhalten bei Verwendung der Verbundmaterialien. Auch hier gibt es Theorie- und Praxisteile. Den umfassendsten fachlichen Überblick erhalten die Teilnehmer im Lehrgang Composite Engineer. Er qualifiziert die Teilnehmer dazu, den gesamten Prozess zu betreuen, den ein FVK-Bauteil durchläuft – von der Entwicklung und Fertigung über die Reparatur bis hin zur Wiederverwertung. Es wird hier vor allem auf eine Verzahnung Wert gelegt, die sich in der flexiblen Wahl und Zusammenstellung der modularen Kurseinheiten wiederspiegelt.

Wie läuft denn eine klassische Weiterbildung am Fraunhofer IFAM ab?

Das kann ich gerne am Beispiel der FVK-Fachkraft erklären. Hier findet der Kurs in drei einzelnen Wochen statt, welche mit ungefähr zwei bis drei Wochen Abstand erfolgen. Das hat den Hintergrund, dass ein Unternehmen seinen Mitarbeiter selten drei Wochen am Stück entbehren kann. Verteilte einzelne Wochen mit etwas Abstand sind hier deutlich besser vertretbar. Das Wissen wird dann im Regelfall vormittags in einem Theorieteil erläutert. Am Nachmittag gibt es die Möglichkeit, das Wissen in der Praxis anzuwenden und auszutesten. Bei den englischsprachigen Kursen läuft das etwas anders: Da die Teilnehmer oft eine sehr lange Anreise haben, kommen drei separate Lehrgangswochen nicht in Frage. Hier finden die drei Wochen am Stück statt und werden direkt mit der Abschlussprüfung beendet.

Was lernen die Teilnehmer, was sie vorher nicht wussten?

Bleiben wir beim Beispiel der FVK-Fachkraft: Viele Teilnehmer dieser Weiterbildung kommen aus dem Bereich der metallischen Werkstoffe und erwarten möglicherweise, dass sie sich ähnlich verhalten wie Faserverbundwerkstoffe. Diese Teilnehmer erleben oft einen Aha-Moment: Dadurch, dass Faserverbundstoffe zumeist kein homogenes und isotropes Material sind, sondern aus einer Faser- und Matrixkomponente bestehen, verhalten sie sich in der Herstellung und Bearbeitung sehr unterschiedlich. Bei einem Faserverbundwerkstoff kann ich eine Beule zum Beispiel nicht nur durch den Schlag mit einem Hammer ausgleichen wie bei einem Blech, hier muss ich etwas komplexer denken. Das bedeutet, ich muss den Aufbau des Materials verstanden haben und vor allem, dass sich ein Faserverbundbauteil durch richtungsabhängig unterschiedliche Eigenschaften auszeichnet. Diese Komplexität ist jedoch auch ein Vorteil: man hat viel mehr Möglichkeiten der individuellen Gestaltung. Wenn man jedoch nicht weiß, wie die Konstruktionsrichtlinien mit Faserverbundwerkstoffen funktionieren und wie sich das Material verhält, wird schnell ein Bauteil erzeugt, das geringere mechanische Kennwerte aufweist als das zu substituierende.

Natürlich kommen aber nicht alle unsere Teilnehmer aus dem Bereich der metallischen Werkstoffe. Einige kommen aus der Qualitätssicherung oder haben schon Erfahrungen im FVK-Bereich. Hier kann ein Wissenszugewinn zum Beispiel auch durch das Kennenlernen von neuen Verfahren erfolgen.

Kann ich die Kurse auch belegen, wenn ich aus dem Bereich der Klebtechnik komme?

Viele unserer Teilnehmer aus klebtechnischen Kursen haben immer mehr auch mit FVK-Bauteilen zu tun. Deshalb haben wir einen kleinen Theorieteil zum Thema FVK schon in unsere Weiterbildungen der Klebfachkraft und des Klebfachingenieurs eingebunden. In der Industrie werden in der sogenannten Multi-Material-Bauweise immer häufiger unterschiedliche Werkstoffe miteinander kombiniert und oft auch durch Kleben gefügt. Faserverbundwerkstoffe spielen dabei eine bedeutende Rolle. Da sie sich anders verhalten als metallische Bauteile, ist es wichtig, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Weil Klebtechnik und Faserverbund immer mehr verzahnt werden, sind unsere Weiterbildungen also sicher auch für Personen sinnvoll, die aus dem Bereich der Klebtechnik kommen.

Inwiefern profitieren die Teilnehmer davon, eine Weiterbildung am Fraunhofer IFAM zu belegen?

Ein großer Vorteil, den das Fraunhofer IFAM zu bieten hat, ist natürlich der Aspekt, dass wir direkt an der Forschung beteiligt sind. So erfahren unsere Teilnehmer immer den aktuellsten Stand der Technik und wir können immer wieder auch schon kleine Einblicke in ganz neue Techniken geben, die die Speerspitze der Entwicklung und (noch) nicht industriellen Standard darstellen Wir verstehen uns hierbei als Verbindungsglied zwischen Forschung und Industrie. Hierfür binden wir auch Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen ein, sodass wir einen Gesamtüberblick über verschiedene Themen wie Ausgansmaterialien, Fertigungsverfahren und Reparaturen liefern können und nicht nur einen einzelnen Bereich behandeln. Zudem erhalten unsere Teilnehmer sozusagen ein »Rundum-Sorglos-Paket«: Von der Anmeldung und einem Online-Vorkurs über ausführliche begleitende Unterlagen zum Kurs bis hin zum Hotel in nächster Nähe und dem abschließenden Zertifikat von der entsprechenden Personenzertifizierungsstelle sowie eine Teilnahmebescheinigung des Fraunhofer-IFAM.

Vielen Dank für das Interview!

 

Von Bienen und Schwarmintelligenz: der Composite Engineer

Prof. Dr. Andreas Büter, ehemaliger Leiter der Fraunhofer-Allianz Leichtbau, zur Konzeption und dem Aufbau des Composite Engineer.

Weiterbildung als Teil des modernen Technologietransfers

Warum stellt vor allem die Weiterbildung ein unverzichtbares Instrument im modernen Technologietransfer dar?