3 Fragen an… Milan Kelch über die Bedeutung des anleitenden Personals für die Qualitätssicherung bei der Herstellung und Reparatur von Faserverbundwerkstoffen

Faserverbundkunststoffe haben eine deutlich komplexere Struktur als die meisten konventionellen Konstruktionswerkstoffe. Durch Variation bei der Materialauswahl und bei Prozessparametern bieten diese Werkstoffe ein nahezu unerschöpfliches Spektrum unterschiedlichster Eigenschaften. Gleichzeitig muss man sich bei der Herstellung und Reparatur von FVK-Bauteilen über all diese Einflussparameter im Klaren sein, um die gewünschte Werkstoffqualität auch tatsächlich zu erreichen. Der Qualitätssicherung bei Produktion und Reparatur kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu und diese ist eng verknüpft mit der Qualifikation des Personals.

Wir haben bei Milan Kelch, Referent am Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe, nachgefragt, welche Rolle die unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen und insbesondere die anleitende Ebene bei der Qualitätssicherung spielen.

 

Die von Ihnen angebotenen Lehrgänge sind hierarchisch nach den in den meisten Unternehmen vorhandenen Ebenen im Betrieb gegliedert. Was hat das mit Qualitätssicherung zu tun?

Eine Besonderheit bei der Herstellung von Bauteilen aus Faserverbundkunststoffen ist, dass der Werkstoff in den meisten Fällen erst während des Fertigungsprozesses entsteht. Bei der Verarbeitung von Metallen ist dies meist anders: hier kaufe ich einen Werkstoff mit definierten Eigenschaften für dessen Qualität der Zulieferer verantwortlich ist. Dieser Werkstoff kann dann durch umformende oder zerspanende Prozesse in die gewünschte Form gebracht werden. Bei der Verarbeitung von FVK entsteht der Werkstoff innerhalb dieses formgebenden Prozesses. Das bedeutet, dass auch die Qualität und damit die Eigenschaften maßgeblich von den Prozessen und dem Personal im verarbeitenden Unternehmen abhängen. Die Qualität wird dabei in allen notwendigen Planungs- und Prozessschritten von der Bauteilauslegung über die Materialauswahl bis hin zur Fertigung und Nachbearbeitung beeinflusst. Deshalb ist es wichtig, dass alle beteiligten Ebenen über werkstoffspezifische Qualitätssicherungsmaßnahmen in der jeweiligen Funktion bewusst sind.

Es reicht also nicht die technische Entscheidungsebene zu schulen, damit FVK spezifische Grundprinzipien bei der Auslegung eines Bauteils berücksichtigt werden, wenn das ausführende Personal nicht in der Lage ist, diese Anforderungen umzusetzen.

 

Welche Rolle spielt dabei die mittlere Ebene, also das Personal mit anleitender Funktion für die Qualitätssicherung?

Unter »Personal mit anleitender Funktion« verstehen wir z.B. Werkstattmeister oder Techniker, welche dafür verantwortlich sind, dass Entscheidungen aus der Entscheidungsebene auch tatsächlich fachgerecht vom ausführenden Personal umgesetzt werden. Uns ist bewusst, dass diese Strukturen nicht in allen Betrieben in gleicher Weise vorhanden sind, aber die Gliederung von Weiterbildung nach den drei genannten Ebenen hat sich bereits sowohl in der Schweißtechnik als auch in der Klebtechnik bewährt.

Zurück zur Frage: die mittlere Ebene hat eine entscheidende Funktion bei der Qualitätssicherung. Sie muss z.B. durch das Erstellen von Arbeitsanweisungen gewährleisten, dass die von der technischen Entscheidungsebene vorgegebenen Qualitätsanforderungen auch tatsächlich vom ausführenden Personal im fertigen Bauteil umgesetzt werden. Bereits kleine Fehler können hierbei zu qualitativ minderwertigen Bauteilen führen. Andersherum muss die mittlere Ebene der technischen Entscheidungsebene mitteilen, ob bestimmte Vorgaben überhaupt in der Praxis umzusetzen sind. Die Anleitende Ebene hat demnach auch eine Vermittlungsfunktion und muss fachlich gesehen die Sprachen der anderen Ebenen verstehen und über umfassende Grundkenntnisse verfügen. Das fängt beispielsweise schon bei der einheitlichen Verwendung von Begrifflichkeiten wie der Bezeichnung bestimmter textile Halbzeuge an und geht hin bis zu der Vermittlung von Aspekten rund um den Arbeits- und Umweltschutz.

Weiterhin muss die anleitende Ebene zu einem gewissen Maß wissen, warum bestimmte Grundprinzipien bei der Auslegung und Fertigung eingehalten werden müssen, um sicherzustellen, dass diese auch tatsächlich eingehalten werden, um die Qualität des Werkstoffes und damit des Bauteils zu sichern.

Die genannten Aspekte beziehen sich natürlich nicht nur auf die Bauteilherstellung, sondern in gleicher Weise auch auf die Reparatur von FVK-Bauteilen. Auch hier müssen sich alle Ebenen über die jeweilig notwendigen qualitätssichernden Maßnahmen bewusst sein, um sicherzustellen, dass die ursprüngliche Tragfähigkeit des Bauteils wiederhergestellt wird.

 

Wo sehen Sie für die Zukunft noch Handlungsbedarf?

Ich würde mich freuen, wenn noch mehr Betriebe den Schritt wagen würden, FVK in Ihren Produkten einzusetzen, um die vielfältigen Potenziale, wie z.B. das immense Leichtbaupotenzial auszunutzen. Auch wenn FVK nicht erst seit gestern eingesetzt werden, herrscht bei vielen noch Skepsis gegenüber diesen Werkstoffen, und man setzt lieber auf Altbewährtes. Es muss also zunächst Vertrauen in den Werkstoff geschaffen werden, indem über dessen Eigenheiten aufgeklärt wird. Auch ein Leitfaden beim Qualitätsmanagement, ähnlich wie in der Klebtechnik die DIN 2304 oder 6701, könnten dazu beitragen, den qualitätsgesicherten Einsatz von FVK auf noch breiterer Ebene zu ermöglichen.

 

Vielen Dank für das Interview!

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