Sicherheit durch Normen: Die Schlüsselrolle von QS-Normen in der Kleb- und Faserverbundtechnologie

Um einen Werkstoff, ein daraus hergestelltes Produkt oder ein Verfahren sicher anwenden zu können, muss gemäß des Produktsicherheitsgesetzes (PSG) nach dem "Stand der Technik" gearbeitet werden, insbesondere bei sicherheitsrelevanten Produkten und bei Prozessen, die zu diesen Produkten führen. Das Produktsicherheitsgesetz schreibt in diesem Zusammenhang verbindlich vor, dass ein Produkt nur dann auf den Markt gebracht werden darf, "wenn es bei bestimmungsgemäßem oder vorhersehbarem Gebrauch die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet".

© Fraunhofer IFAM
QS-Normen spielen eine Schlüsselrolle in der Kleb- und Faserverbundtechnologie

Kann dieser Nachweis nicht mit rein zerstörungsfreien Methoden und gleichzeitig hundertprozentiger Sicherheit erbracht werden, handelt es sich bei den zugrundeliegenden Herstellungsverfahren nach ISO 9001 um sogenannte „spezielle Prozesse". Charakteristisch für "spezielle Prozesse" ist, dass weder die einzelnen Produktionsschritte noch die fertigen Produkte einhundertprozentig zerstörungsfrei überprüft werden können. Fehler, auch solche, die oft erst während der Anwendung entdeckt werden, müssen zur Erfüllung des „Stands der Technik“ dennoch vermieden werden.

Wie im Fall der Schweißtechnik handelt es sich auch bei der Klebtechnik und der Faserverbundtechnologie um zwei weitere von nahezu zahllosen sog. „speziellen Prozessen“. D. h. in allen Fällen kann die einhundertprozentige Fehlerfreiheit weder im jeweiligen Prozess noch im jeweiligen Produkt zerstörungsfrei vollumfänglich geprüft und nachgewiesen werden.

Um trotzdem den o.g. gesetzlichen Anspruch des „Stands der Technik“ realisieren zu können, schreibt daher die international anerkannte und weltweit eingeführte ISO 9001 für „spezielle Prozesse“ die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) vor. Vorrangiges Ziel dieses QM-Systems ist es, mögliche Fehler, die erst während der Anwendung entdeckt werden und im schlimmsten Fall zu schweren Schäden führen können, von vornherein zu vermeiden und damit die Prozess- und Produktsicherheit gemäß des geforderten „Stands der Technik“ zu gewährleisten. Auf diese Weise verknüpft das Produktsicherheitsgesetz für spezielle Prozesse und mit diesen Prozessen hergestellte Produkte seine rechtsverbindliche Forderung einer (zerstörungsfreien) Sicherheitsnachweisführung mit der o.g. ISO 9001-Kernaussage einer – möglichst ausnahmslosen – Fehlervermeidung. Und das umfassend, d.h. vom Beginn einer Produktentwicklungsphase an bis zum Ende der Produktnutzung.

Die Herausforderung besteht nun darin, dass die ISO 9001 logischerweise sehr breit, d.h. entsprechend technologieunspezifisch aufgestellt ist bzw. sein muss. Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr real, dass ISO 9001-Betriebszertifizierungen im Rahmen eines formalen Existenznachweises eines QM-Systems verbleiben, eine für den gesetzlich verbindlichen „Stand der Technik“ erforderliche, technologiespezifische Ausrichtung des QMS im Hinblick auf Prozesse und Produkte jedoch nicht Gegenstand der zugrundeliegenden Betriebsauditierungen ist.

Diesem Defizit wird anhand technologiespezifischer Qualitätssicherungsnormen begegnet. In diesem Kontext übernehmen nun die klebtechnischen QS-Normen (DIN 6701/DIN EN 17460 und DIN 2304-1/DIN EN ISO 21368) und die neue DIN SPEC 35255 für die Faserverbundtechnologie ausschließlich die Hauptfunktion, auf Basis eines bestehenden QMS den ISO 9001-Kerngedanken der Fehlerprophylaxe für Kleb- bzw. Faserverbundprozesse und geklebten sowie aus Faserverbunden hergestellten Produkten technologiespezifisch so zu konkretisieren, dass dadurch den Anwenderbetrieben im Sinne des „Stand des Technik“ zum (noch) sicheren Arbeiten mit der Klebtechnik und Faserverbundtechnologie verholfen wird.

Die genannten QS-Dokumente legen daher sowohl die Anforderungen an eine qualitätsgerechte Entwicklung und Ausführung von Klebverbindungen und Faserverbundbauteilen als auch die allgemeinen organisatorischen, vertraglichen und fertigungstechnischen Grundlagen für die Entwicklung, Herstellung, Instandhaltung und Reparatur fest. Sie enthalten darüber hinaus alle die gleichen Kernelemente: Klassifizierung nach Sicherheitsklassen, objektiver Nachweis der jeweiligen technologischen Personalkompetenz und Nachweisführung der Produkt- und Prozesssicherheit. Damit unterstützen die Qualitätsnormen von der Produktlebensphase „Planung und Entwicklung“ über die Produktlebensphase „Nutzung“ bis zur Produktlebensphase „End of Life“ den geforderten “Stand der Technik” für die fachgerechte, fehler(quellen)vermeidende Organisation und Umsetzung kleb- und faserverbundtechnischer Prozesse in allen Bereichen von Industrie und Handwerk.

Für den eingangs genannten „Stand der Technik“ ist maßgeblich und zukunftsweisend: Für die „speziellen Prozesse“ Klebtechnik und Faserverbundtechnologie und für nach diesen Verfahren hergestellte Produkte besteht der gemäß Produktsicherheitsgesetz (PSG) verbindlich geforderte „Stand der Technik“ nunmehr aus der untrennbaren Verknüpfung von PSG, QMS und QS-Normen. Durch Umsetzung der QS-Normen gestaltet der Anwender den gesamten Prozess und alle Produktlebenszyklusphasen der Produkte robust und reproduzierbar - also im normentechnischen Sinn „beherrscht“ – und erfüllt damit für die Klebtechnik und die Faserverbundtechnologie den „Stand der Technik“.

Weitere Blogartikel

Weitere Blogartikel

Lesen Sie mehr Artikel zum Thema Kleben und Composites!

Bremer Faserverbundtage 2023

Interview mit Stefan Simon zu den 5. Bremer Faserverbundtagen am 08. und 09.11.2023

Internationale Kooperationspartner

Verschaffen Sie sich einen Überblick über unsere weltweiten Kooperationen.