Naturfaserverstärkte Kunststoffe: Hochleistungswerkstoffe aus der Natur

Naturfaserverstärkte Kunststoffe überzeugen mit ökologischen und mechanischen Eigenschaften

Naturfaserverstärkte Kunststoffe – wie so viele neue Werkstoffe und Verfahren sind auch sie eher aus der Not heraus entstanden. In der DDR herrschte damals Stahlmangel. Baumwolle aus Zentralasien gab es jedoch zuhauf. Die gesamte Karosserie des Trabis wurde so aus einem damals noch recht neuartigen baumwoll- bzw. cottonfaserverstärkten Kunststoff hergestellt. Fast 100.000 Tonnen naturfaserverstärkten Kunststoffs werden in Europa heute jährlich verarbeitet. 95 Prozent davon in der Automobilindustrie.  In der Arbeitsgruppe Biologische Werkstoffe von Professor Müssig an der Hochschule Bremen hat Milan Kelch – heute Mitarbeiter des Fraunhofer IFAM – zusammen mit einem internationalen Forscherteam cottonfaserverstärkte Kunststoffe entwickelt. Im Rahmen der 3. Bremer Faserverbundtage am 27. und 28. März 2019 berichtete er über das Potential dieser neuen Werkstoffe.

Cottonfaserverstärkte Kunststoffe
© Fraunhofer IFAM
Cottonfaserverstärkte Kunststoffe

Nachfrage und Anwendungsmöglichkeiten für faserverstärkte Kunststoffe wachsen stetig. Gleichzeitig steigt auch das Bewusstsein für Energiebilanzen von Werkstoffen und damit die Nachfrage nach Kunststoffen aus nachwachsenden und biologisch abbaubaren Rohstoffen. Diese naturfaserverstärkten Kunststoffe (NFK) bestehen aus einem fossil- oder bio-basierten Kunststoff, der seine Steifigkeit und Festigkeit durch eingearbeitete Naturfasern erhält. Neben den ökologischen Vorteilen, weisen NFKs auch einige positive mechanische Eigenschaften auf, wie z.B. hohe Steifigkeit, hohe Zugfestigkeit, geringe Splitterneigung und eine geringe Dichte.

Klassische NFKs aus Bastfasern

Bisher dominieren Bastfasern aus Hanf oder Flachs den Markt. Durch ihre langen Fasern können sie einfach zu Verbundwerkstoffen verarbeitet werden und kommen heute vor allem bei Autoinnenraumteilen wie etwa Handschuhfächern oder Hutablagen zum Einsatz. Aber auch im Sport wird der Leichtbauwerkstoff gerne eingesetzt: Aufgrund der guten Dämpfungseigenschaften werden Naturfasern unter anderem für Tennisschläger oder Fahrräder genutzt. In Form gebracht wird der Werkstoff für den Automobilbereich hauptsächlich durch Formpressen. Bei dem bei glas- und carbonfaserverstärkten Kunststoffen häufig verwendeten Spritzgussverfahren hingegen können die relativ groben Fasern zum Problem werden, indem sie die Düsen verstopfen. Neben dem etablierten Spritzgussverfahren steigt das Interesse für NFK auch beim innovativen 3D-Druck Verfahren »Fused Deposition Modeling« (FDM). Doch auch hier können die groben Bastfasern wie Flachs und Hanf zu Problemen führen.

Newcomer Cotton

Hier kommt die Cotton ins Spiel. Mit ihren sehr feinen und glatten Fasern sind cottonfaserverstärkte Kunststoffe bestens für Verfahren wie das Spritzgießen oder den 3D-Druck geeignet. Milan Kelch hat in einem Forschungsprojekt an der Hochschule Bremen an der Entwicklung von solchen cottonfaserverstärkten Kunststoffen geforscht. Zusammen mit dem 3N Kompetenzzentrum Werlte hat das Team einen Werkstoff entwickelt, der sich durch hohe Festigkeit und Steifigkeit auszeichnet und damit einfach mit bastfaser- oder auch glasfaserverstärkten Kunststoffen mithalten kann. Um die Ökobilanz des cottonfaserverstärkten Kunststoffes zu optimieren, griff das Team auf sogenannte Cotton-Kämmlinge zurück, ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Cotton-Textilien. Die mechanischen Eigenschaften dieses Werkstoffes unterschieden sich nicht maßgeblich von denen mit klassischer Cotton-Basis.

In weiteren Testreihen möchte das Forscherteam herausfinden, wie aussortierte Kleidung recycelt und für die Herstellung von baumwollfaserverstärkten Kunststoffen genutzt werden kann. Darüber hinaus wird daran gearbeitet, den Werkstoff auch im industriellen Maßstab herzustellen.

Bremer Faserverbundtage am 27. und 28. März 2019

Anlässlich der 3. Bremer Faserverbundtage am 27. und 28. März 2019 berichtete Milan Kelch in seinem Vortrag »Im Trabi oder aus dem 3D-Drucker – Das Potential von Baumwolle für faserverstärkte Kunststoffe« näher über das Projekt.